100 Texte für den Frieden
Zu einem ganz außergewöhnlichen Buchprojekt haben Matthias Schäfer, Katja Bohlander-Sahner und Tom Störmer im März 2022 angeregt. Als Folge des Überfalls von Russland auf die Ukraine und dem damit verbundenen Leid für die Zivilbevölkerung, haben die drei Autoren, Künstler, Politiker, Freunde, Nachbarn und Bekannte dazu aufgerufen, sich ihren Frust von der Seele zu schreiben.
Dabei sind 100 Texte für den Frieden binnen kürzester Zeit zusammengekommen. Diese Texte haben wir in einem Buch zusammengefasst, dessen Erlös komplett den Kindern in der Ukraine zukommt. Wir freuen uns für die Kinder über jedes verkaufte Exemplar. Unterstützen Sie uns dabei, kaufen sie Bücher für sich, für ihre Freunde, verschenken sie diese … Tragen Sie unsere Idee in die Welt, damit wir möglichst viel Geld zusammenbekommen.
DANKE FÜR IHRE UNTERSTÜTZUNG!
Das Buch ist seit 28. April lieferbar. Bestellungen bei der Edition Schaumberg sind möglich!
Es folgt nun noch eine kleine Leseprobe meines Textes. Vielleicht regt sie die eine oder den anderen an, dieses schöne Buch zu kaufen:
Das Ende
Das Ende begann am sechsten Tag. Gott hatte gut geschlafen und nach einem leichten Frühstück hatte er Großes vor. Also setzte er sich an seine Werkbank, nahm Lupe und Pinzette und reihte sinnreich Bosonen und Leptonen, Gluonen und Quarks aneinander, verknotete sie mit Strings und Schleifenquanten, feilte hier und da an einem Atomkern, verschränkte Elektronen und Protonen und erhielt schließlich eine einzige, winzige Zelle. Als er sah, dass es gut war, nahm er die Zelle und setzte sie auf einer, bis dahin ziemlich unbelebten Welt in eine Wasserlache. Später am Tag töpferte Gott noch ein wenig. Doch wie er es anstellte und so sehr er sich auch mühte – es gelangen ihm, statt eines neuen Aschenbechers, nur zwei knubbelige Tonwichtelchen mit allerlei lustigen Fortsätzen. Er besah die beiden und beschloss, sie so zu lassen. Nachdem er ihnen (aufgrund eines heftigen Hustenanfalls) versehentlich Leben eingehaucht hatte, trug er sie in seinen Experimentiergarten auf seiner Experimentierwelt, nicht ohne sie streng zu ermahnen, keinen Unfug anzurichten. Dann legte Gott sich zu einem Mittagschläfchen nieder.
Natürlich richteten die Wichte, die sich bald Menschen nannten, allerlei Unfug und auch Schaden an. Sie verwüsteten den Garten, fraßen jegliches Getier auf, was dort herumkreuchte und -fleuchte, pflückten alles Obst und stibitzten sogar des Herrn persönliche Äpfel, als er einmal nicht hinsah. Also flogen sie aus dem Garten, aber anstatt zum Staub zurückzukehren, aus dem sie geformt waren, begannen sie, sich zu vermehren. Sie wurden immer mehr, wenn ihnen, wie meistens, langweilig war, schlugen sich gegenseitig die Köpfe ein und verbreiteten sich wie Myzel über Gottes gesamte Versuchswelt. Dieser gab sich alle Mühe, der Plage Herr zu werden, flutete den ganzen Laden, ließ den einen oder anderen Asteroiden einschlagen, impfte die Bande mit tödlichen Seuchen, setzte Unwetter, Heuschrecken, Missernten, Eiszeiten, Hitzewellen, Erdbeben, Tsunamis und andere unterhaltsame Naturkatastrophen ein, doch die Gnome erwiesen sich als überaus erfindungsreich und krallten sich überdies mit übermenschlicher Sturheit an jedem Fleckchen Erde fest. Kurzum – wie es Gott auch anstellte, er schaffte es nicht, sie auszurotten. Schließlich wandte er sich von der Erde ab, denn er hatte noch mehr zu tun. An dieser Stelle soll gesagt sein, dass die Menschen zwar überaus lästig waren und Gott gehörig auf die Nerven gingen, aber am unausweichlichen Ende waren sie nicht schuld.
Am Morgen des Donnerstags erwachte Gregor S. aus unruhigen Träumen, schob sich schlaftrunken und mit steifen Gelenken, gerade als trüge er einen Chitinpanzer, zur Toilette und riss, während er sein Geschäft verrichtete, am Kalender das Blatt für den Mittwoch ab. Er sah auf den Kalender, dann auf das abgerissene Blatt, dann noch einmal auf den Kalender. Da stand Freitag. Wo war der Donnerstag geblieben? Während er seinen Morgenkaffee aufsetzte, schaltete er das Radio an und hörte in den Nachrichten, dass es in der Tat schon Freitag wäre und die Welt wegen des fehlenden Tages in Aufruhr sei. Die Menschen hatten sich am Mittwochabend, dem Sonnenuntergang folgend, ins Bett gelegt und staunten nicht schlecht, dass sie am Freitagmorgen aufwachten. Der Donnerstag war ausgefallen, weg, hatte niemals stattgefunden. Nicht einmal im Kalender stand er, wie auch schon Herr S. bemerkt hatte. Im Hundertjährigen nicht, in den Tageskalendern fehlte das Blatt und auch der Jungbauernkalender (prallbusige Bäuerin vor neuestem Melkautomaten) hatte einen Tag weniger. Die Wirtschaft ärgerte sich, dass ein Arbeitstag verloren ging, was die Werktätigen wiederum freute. Ursachen wurden gesucht und Schuldige waren schnell ausgemacht: Der Kanzler, der wegmusste, die Reptiloiden, die Illuminaten, die Kommunisten, die Gewerkschaften und Geheimdienste. Für die Linken waren die Rechten schuld, für die Rechten die Juden, für die Juden die Muslime, für die Muslime die Christen, für die Christen alle anderen Religionen und für alle anderen Religionen die Atheisten …
Wie es mit dem Ende weitergeht, erfährst du in 100 Texte für den Frieden.